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Faszien & ihre Rollen – was steckt hinter dem Mythos?

In den vergangenen Jahren wurde ihnen so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie noch nie zuvor. Es ist ein regelrechter Hype um sie entstanden und auch darum, wie man sie am besten behandeln kann. Deshalb bewegen sich manche vor oder auch nach dem Training beinahe turnerisch über harte Rollen. Die Rede ist von niemand anderen als den Faszien und deren Hartschaumrollen, welche auch als Faszienrollen bekannt sind. Doch welchen Nutzen haben diese überhaupt? Und gibt es hierfür auch andere Trainingsmethoden? Bevor wir uns diesen Fragen widmen, soll zunächst einmal erklärt werden, was Faszien überhaupt sind und welche Funktionen sie in unserem Körper übernehmen. Wenn man nämlich darüber Bescheid weiß, macht die Art des Trainings gleich viel mehr Sinn.

Durch körperliches Training und gezieltes Mobilitytraining werden viele unterschiedliche Rezeptoren stimuliert und dies führt zu entsprechenden Anpassungen in den Strukturen (z.B. Muskeln, Faszien, Bänder). Es ist also in erster Linie sinnvoller seinen Körper und Geist durch motorisches Lernen von effektiven Bewegungsmustern zu fördern, denn dadurch verändert sich auch unser fasziales System.

Was sind Faszien und welche Funktionen übernehmen sie?

Sie galten eine lange Zeit nur als die „weiße Hülle außen herum“, doch aufgrund mehrerer Studien in den vergangenen Jahren werden Faszien als ein eigenständiges Organ mit zahlreichen Nervenenden, Schmerz- und Bewegungssensoren gesehen. Dadurch sind sie an der Wahrnehmung von Reizen und an der Übermittlung von sensiblen Signalen für die Ausrichtung sowie Bewegung des Körpers (Propriozeption) beteiligt. Zudem umhüllen und durchziehen sie den gesamten menschlichen Körper, wie z.B. Muskeln, Knochen, Organe, das Gehirn und Rückenmark. Alle Faszien zusammen bilden so ein Netzwerk mit unzähligen Verbindungen, welches dem menschlichen Körper seine Form verleiht und ihm eine Stütz- sowie Schutzfunktion bietet. Doch neben diesen Aufgaben erfüllen sie noch eine weitere, die nicht nur essenziell für das Training, sondern auch für den Alltag ist. Sie sind nämlich neben den Muskeln, Bändern und Sehnen auch an der Kraftübertragung beteiligt. Faszien können durch ihre Elastizität Belastungen, die auf den Körper einwirken, dämpfen. Ein Beispiel hierfür wäre die Übertragung der Spannkraft beim Gehen oder Laufen: Die Achillessehne ist in Fasziengewebe eingebettet. Sie spannt sich beim Joggen an, speichert in der Spannbewegung Energie und gibt diese Energie bei der Entspannung wieder frei. Somit wird mit deren Hilfe das Laufen bzw. Gehen viel effizienter und der Mensch spart Muskelenergie.

So weit so gut und sehr bemerkenswert, was diese Faszien in unserem Körper alles leisten. Doch warum führen sie häufig zu Schmerzen und können verkleben? So viel sei verraten, es gibt per se nicht die eine Ursache, sondern mehrere Faktoren spielen eine Rolle. Natürlich gehört wieder mal das Alter dazu, allerdings auch die Ernährung, Psyche und Bewegung – was sonst! Wir werden uns aber mal auf die zwei letzteren beschränken:

1. Der Einfluss deines Bewegungsverhaltens:

Faszien sind so flexibel wie ein Gummiband: Sie ziehen sich bei Bewegungen auseinander und wieder zusammen. Sie passen sich deinem Bewegungsverhalten an – klingt zunächst einmal logisch. Dahinter steckt allerdings ein physiologischer Prozess, mit Freisetzung, Anpassung hier und da. Um es einfach zu beschreiben: Faszien bestehen zum größten Teil aus Wasser, das als eine Art Schmierstoff fungiert und die Faszien geschmeidig hält. Zudem aus unterschiedlichen Fasern und Bindegewebszellen, sogenannten Fibroblasten. Sie produzieren u.a. Kollagen, welches z.B. wichtig für die Wundheilung ist, was ja schon mal positiv ist. Aber wenn bestimmte Körperteile relativ wenig bewegt werden, wuchert das Kollagen chaotisch durcheinander und so kann nicht mehr genügend Flüssigkeit zwischen Zelle und Faszie fließen. Dadurch entsteht nicht nur ein Flüssigkeitsverlust, der die Faszien spröde macht, sondern auch der Lymphfluss (natürliches „Abfallsystem“) wird beeinträchtigt. Demzufolge kommt es zum Stau innerhalb der Faszie, und Enzyme in Verbindung mit Proteinen beginnen sich zu einer Art Klebemittel umzuwandeln. Dieser verfilzt das Gewebe. Die Faszien verlieren somit an ihrer Elastizität und es können sich sogar kleine Risse bilden. Werden die Schäden nicht entsprechend behandelt, können sich diese ausweiten und Schmerzen in anderen Bereichen auslösen.

2. Der Einfluss deiner Psyche:

Stress, innere Unruhe und Erschöpfung bringen nicht nur uns durcheinander, sondern auch dein Fasziensystem. Da Faszien über Schmerzrezeptoren und sensiblen Nervenenden verfügen, konnte nachgewiesen werden, dass es einen Zusammenhang zwischen psychischen Belastungen und den daraus resultierenden körperlichen Empfindungen gibt. Durch Stress zieht sich u.a. das Gewebe als Reaktion zusammen und der Muskeltonus wird erhöht. Und wie wir alle wissen, ändert sich dieser Zustand nicht von jetzt auf gleich und wir sind wieder happy, ausgeruht oder entspannt. Nein, es dauert und durch diese (muskuläre) Anspannung werden die Faszien dauerhaft belastet. Somit verspüren wir z.B. einen vermehrten Zug im Nacken oder Rücken. Steht der Körper über einen langen Zeitraum unter psychischem Stress, kann sogar eine Einschränkung der Beweglichkeit eintreten.

Roll it – oder darf es doch lieber etwas anderes sein?

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Okay, wir wissen bis jetzt, dass sich Faszien verkürzen und verkleben können und, dass mehrere Faktoren dafür verantwortlich sind. Aus diesem Grund stellt sich die Fragen, wie wir dem entgegenwirken können. Hersteller:innen von Faszienrollen, auch als Foam Rolls bekannt, haben sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Doch diese Tools werden auch kontrovers diskutiert. Aus diesem Grund möchten wir euch kurz erklären, was dabei eigentlich genau in unserem Körper passieren soll, sowie werden wir euch die Vor- und Nachteile dieser Methode aufzeigen.

Faszienrollen werden gewöhnlich dafür eingesetzt, um Verspannungen zu lösen. Zudem wird ihnen auch nachgesagt, dass sie zu einer Förderung der Beweglichkeit beitragen. Hierzu wurden bereits einige Studien durchgeführt, die allerdings zu unterschiedlichen Meinungen geführt haben. Aus diesem Grund möchten wir euch beide Seiten näherbringen:

Was spricht dafür?

Einerseits konnte beobachtet werden, dass durch solche „self-myofascial release“-Übungen die alte, verbrauchte Gewebsflüssigkeit mechanisch ausgepresst und mit neuer ausgetauscht wird. Dabei kommt es durch den entstehenden Druck mittels des Körpergewichts auf der Rolle zur Entspannung der auszurollenden Strukturen. Zudem soll sich dadurch verklebtes, verfilztes Fasziengewebe wieder ordnen, elastischer und beweglicher werden. Aber warum ist das so? Wie bereits vorher erwähnt sind Faszien durch ihre Rezeptoren und Nervenenden mit dem vegetativen Nervensystem verbunden. Sie reagieren u.a. sensibel auf Druck, der durch die Rolle ausgeübt wird. Diese Information wird weitergeleitet und somit wird der Stoffwechsel sowie die Durchblutung angeregt. Die Faszie wird wiederum mit mehr Wasser befühlt, die Muskulatur entspannt sich und die Schmerzen schwächen ab. Zudem werden potenzielle Entzündungsstoffe durch die Aktivierung der Botenstoffe (Zytokine) aus den Faszien abtransportiert. Dies konnte beispielsweise durch folgende Untersuchungen bestätigt werden:

  • In einer Studie von Grieve et al. (2015) und Do et al. (2018) wurde beobachtet, dass sich die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und der hinteren Oberschenkelmuskulatur signifikant erhöht hat, nachdem die Plantarfaszie (eine Bindegewebsstruktur an der Fussohle) gerollt wurde. 
  • Auch Bushell et al. (2015) konnten eine signifikante kurzfristige Erhöhung der Hüftstreckung beobachten, nachdem der vordere Anteil der Hüfte mit einer Rolle bearbeitet wurde. 

Was spricht dagegen?

Das hat alles schon sehr viel versprechend geklungen, aber wie wir alle wissen, gibt es „zwei Seiten einer Medaille“ und es stellt sich die Frage, wie nachhaltig Faszienrollen wirken?  Wir dürfen nämlich eines nicht vergessen, Prozesse passieren in unserem Körper nicht ohne Grund. Muskelverhärtungen, ein verringertes Bewegungsausmaß sind u.a. Schutzmechanismen des zentralen Nervensystems, die unser Überleben sichern sollen. Und um solche myofaszialen Verklebungen und Vernarbungen aufzulösen, ist der Druck unseres eigenen Körpergewichtes auf die Rolle zu gering und es können auch nicht alle Schichten der Faszien gezielt bearbeitet werden. Und auch wenn es danach aussieht, dass die Beweglichkeit nach dem Training größer ist als zuvor, ist dieser Zustand nur von kurzer Dauer. Denn laut Untersuchungen ergibt sich dieser positive Effekt nicht über eine Veränderung der lokalen Strukturen selbst, sondern über einen globalen Mechanismus über das vegetative Nervensystem. So kommen die Reaktionen eigentlich aufgrund einer „Manipulation“ des Nervensystems zu Stande. Nicht aber aufgrund einer sogenannten „myofaszialen Entspannung“, bei dem strukturelle Veränderungen bewirkt werden. Um es kurz und einfach zu erklären: Es wird das Symptom bekämpft, aber nicht das eigentliche Problem selbst!

Fazit und Message zum Mitnehmen:

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Wir müssen zugeben, dass wir auch hin und hergerissen sind, ob wir Faszienrollen gut finden oder nicht. Eines lässt sich klar sagen, sie erzielen eine (kurzfristige) Wirkung, tragen zur Regeneration bei und dies wirkt sich auch positiv auf unsere Psyche aus. Somit stellt das Training mit der Rolle eine gute Ergänzung zum eigentlichen Training dar. Wenn es allerdings um die Verbesserung der Beweglichkeit geht, gibt es nur ein Rezept – nämlich Bewegung. Durch körperliches Training und gezieltes Mobilitytraining werden viele unterschiedliche Rezeptoren stimuliert und dies führt zu entsprechenden Anpassungen in den Strukturen (z.B. Muskeln, Faszien, Bänder). Es ist also in erster Linie sinnvoller seinen Körper und Geist durch motorisches Lernen von effektiven Bewegungsmustern zu fördern, denn dadurch verändert sich auch unser fasziales System. Und ist es uns gelungen effiziente Bewegungsmuster zu entwickeln, verändert sich unser fasziales System so, dass es unsere Bewegungen im Alltag und im Sport besser unterstützen kann. Dadurch muss es erst gar nicht zu Muskelkater, Muskelverhärtungen und Schmerzen kommen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

Eure Sandra.

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